Die Studentischen Förderlehrerinnen und Förderlehrer des ersten Projektdurchgangs, die im Sommersemester 2004 ausgebildet wurden und ab September 2004 im Förderunterricht mit Schüler/inne/n mit Migrationsgeschichte tätig waren, wurden seit Beginn ihrer Ausbildung projektbegleitend befragt. Das Projekt bietet den Studierenden eine sehr enge Verknüpfung von Theorie und Praxis, indem ihnen die Möglichkeit gegeben wird, die im Studium erworbenen theoretischen Kenntnisse und das Handlungswissen im Bereich Umgang mit kultureller Verschiedenheit und Deutsch als Zweitsprache im Unterricht aller Fächer in eigenverantwortlichem Unterricht über einen längeren Zeitraum hinweg anzuwenden, zu erproben und zu reflektieren. Die längsschnittlich über zwei Jahre angelegte Begleitevaluation bezog sich wesentlich auf den Erwerb der in diesem Kontext adressierten Kompetenzen.
In der ersten Phase der Lehrerausbildung kommt den schulpraktischen Studien ein besonderer Stellenwert zu. An der Technischen Universität Dortmund haben sind drei Formen schulpraktischer Studien etabliert (Eignungs- und Orientierungspraktikum, Berufsfeldpraktikum, Praxissemester). Im Projektzusammenhang wird eine Kombination von Eignungs- und Orientierungspraktikum (EOP) und Förderunterricht angeboten. Das EOP soll vorrangig mit dem Berufsfeld Schule und den Aufgaben von Schule und Lehrern vertraut machen, den Perspektivwechsel vom Schüler zum Lehrer einleiten und dazu beitragen, die Eignung für den Beruf zu überprüfen sowie die Berufsmotivation reflektiert zu begründen. Authentische Erfahrungen sollen die Grundlage für die analytisch-reflektierte Auseinandersetzung mit dem Berufsfeld im Studium darstellen.
Der Förderunterricht erstreckt sich über ein Schuljahr. Diese zeitliche Dauer ermöglicht es den Studierenden in ihrer Funktion als Förderlehrerinnen und Förderlehrern, sich zunächst an der Schule zu orientieren, diese unter vielen Aspekten kennen zu lernen und sich auf organisatorische sowie disziplinarische Anforderungen einzustellen. Darüber hinaus treffen sie langfristige inhaltlich-methodische Absprachen mit den Projektverantwortlichen und weiteren Lehrerinnen oder Lehrern der Schule, diese in regelmäßigen Abständen unter Zielführungsperspektiven zu überprüfen, zu revidieren, zu modifizieren. Zudem haben sie die Möglichkeit, längerfristige thematische Projekte mit den Schülerinnen und Schülern zu planen und durchzuführen, aber auch Fehleinschätzungen wieder zu korrigieren und die Entwicklung ihrer Schülerinnen und Schülern zu beobachten. Sie werden außerdem über diese Zeit für die Gruppe zu einer Autorität und Vertrauensperson.
Die Förderlehrerinnen und Förderlehrer haben keine bloße Hospitationsfunktion, sondern beobachten und unterstützen ihre Förderschüler/innen in den Assistenzstunden im Regelunterricht und fördern ihre Kleingruppe unter Beachtung des dort diagnostizierten Bedarfs selbstständig und in eigener Verantwortung. Damit kommt die Situation den späteren Aufgaben deutlich näher als ein zeitlich kurzer Ausflug in die Schule unter Aufsicht. Dabei bleiben die Praktikantinnen und Praktikanten aber von der Benotungs- und Selektionspflicht befreit.
In Kombination dieser beiden Gegebenheiten überprüfen die Förderlehrerinnen und Förderlehrer ihre Eignung und erproben die spätere Rolle als Lehrerinnen bzw. Lehrer an einem thematisch ausgesuchten Inhalt, der Sprachförderung im Sachfachunterricht. Sie betätigen sich dabei fach- und sprachdidaktisch, ohne aber für alle Aspekte der Fachvermittlung bzw. des Fachunterrichts zuständig sein zu müssen. Sie lernen also die Schulrealität unter dem Fokus sprachlich-kultureller Heterogenität kennen und kommen quasi nebenbei mit vielen Berufsanforderungen „im Kleinen“ in Kontakt: Sie haben wenige Stunden, wenige Schülerinnen bzw. Schüler und nur ein Fach.
Im Rahmen einer Untersuchung zur Wirksamkeit dieser Maßnahme im Vergleich zu herkömmlichen schulpraktischen Studien geht es um den subjektiv eingeschätzten Erwerb von projekt-unabhängigen Kompetenzen im Themenfeld Unterrichtsvorbereitung, Umgang mit heterogener Schülerschaft, unterrichtsbezogenen Kompetenzen und Selbstkompetenzen sowie Perspektivwechsel zur Lehrerrolle. Es wird der Frage nachgegangen, ob diese Kompetenzen mit dem Projekt als zusätzlichem Ausbildungselement besser erreicht werden als ohne dieses. Die Erhebung erfolgte in einem quasi- und echt-längsschnittlichen Designs.
(Vgl. Seipp, B. & Ralle, B. (2011). Mercator-Förderunterricht und herkömmliche schulpraktische Studien – Entwicklung von Kompetenzselbstkonzepten bei Lehramtsstudierenden. In K. Eilerts, A. Helen Hilligus, G. Kaiser & P. Bender (Hrsg.), Kompetenzorientierung in Schule und Lehrerbildung. Festschrift für Hans-Dieter Rinkens. Paderborner Beiträge zur Unterrichtsforschung und Lehrerbildung, Band 15, S. 109 - 134. Berlin: Lit.)